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Shu Ha Ri/ 守破離 -- 1. 守/ Nachahmen


Einführung

Klassischerweise folgt die Lehrmethode in japanischen Kampfkünsten dem Leitsatz Shu Ha Ri.

Shu / 守 - Nachahmen

Ha / 破  - Brechen

Ri / 離 - Loslassen

 

Gemeint ist der Umgang mit einer zu erlernenden Technik. Diese sollte hiernach zunächst möglichst detailgetreu vom Lehrer kopiert werden. Erst nachdem der Schüler durch das "Kopieren" des Bewegungsablaufs eine Vorstellung von der Ausführung erhalten hat, ist es Zeit das zweite Level, das Ha-Level zu trainieren. Dabei soll die erlernte Grundform gebrochen werden und der Schüler außerhalb der bisher bereits gefundenen Komfortzone die Technik ausführen lernen. Hat der Schüler auch dieses Level hinter sich gelassen, so folgt die letzte Stufe, das Ri-Level. Auf diesem Level werden bislang vordefinierte Rahmenbedingungen über Bord geworfen und das Prinzip hinter der Technik trainiert. Es geht hierbei also weniger um eine konkrete Ausführung einzelner isolierter Bewegungen, sondern um die Erreichung des Ziels der trainierten Technik, bei der nur noch das anzuwendende Prinzip beibehalten wird.

Shu/ 守 - Nachahmen

Beginnen wir mit unserer Betrachtung auf dem ersten Level - Shu/ 守.

Wie benannt ist das Ziel Anfangs grundsätzlich eine gezeigte Bewegungsabfolge/ Kata möglichst identisch nachzuahmen. 

Dies hat den Vorteil, dass der Schüler weiß worauf er sich in dieser Kata einstellen muss. Schlagabfolgen des Angreifers sind klar definiert und auch die darauf zu erwidernden Antworten des Verteidigers sind vorbestimmt. Häufig wird dieses Prinzip jedoch leider nur als Verteidiger wirklich ernst genommen. Auch Uke/ der Angreifer hat auf dem Shu-Level die Aufgabe den gezeigten Angriff möglichst genau nachzuahmen. Insbesondere wenn zwei Schüler nicht auf dem gleichen Level trainieren möchten, entstehen dabei Probleme, die das Training für beide Partner uneffektiv und frustrierend werden lassen können. Dabei ist es bei genauerem Nachdenken leicht ersichtlich, dass Uke und Tori (Angreifer und Verteidiger) auf dem gleichen Level trainieren müssen, damit eine Kata erfolgreich ausgeführt werden kann, ja sogar Sinn ergeben kann. 

Dabei ist das Shu-Level keineswegs ein Trainingslevel für Anfänger. Trainiert man in der Rolle des Tori zum ersten Mal bei einem Lehrer, so können die trainierten Bewegungsmuster sehr ungewohnt sein. Um besser zu verstehen, wie diese Bewegungen ausgeführt werden sollen und was der Lehrer damit für ein Trainingsziel verfolgt, ist es für alle Budôka, unabhängig deren Erfahrungsstand, wichtig die Technik zunächst mit einem offenen Herzen und unvoreingenommenen Geist zu trainieren. Letztlich gehen wir als Schüler in ein Training, um etwas Neues zu erlernen. Und dieses Neue ist für gewöhnlich etwas, das wir bislang noch gar nicht gekannt haben, oder auf diese Art noch nicht angewendet haben. Vor diesem Hintergrund betrachtet, muss man sagen, dass sich ein Schüler, der das Shu-Level überspringt oder als "nicht mehr" erforderlich erachtet, sich auf seinem Budô fast selbst im Weg steht. Mindestens verpasst der Schüler aber Erfahrungen, die wertvoll sind. 

Dies ist eine Erfahrung, die alle diejenigen, die bereits im Honbu Dôjô trainieren konnten, sicherlich nachvollziehen können. Das erste Mal im Training von Hatsumi-Sensei bleibt zumeist keine andere Wahl, als die gezeigten Techniken nachzuahmen. Nach einigen Versuchen das Gezeigte zu kopieren, stellt sich jedoch ein Verständnis für die Techniken ein und man erkennt das Verborgene (Ura) hinter der offensichtlichen Technik (Omote).

Diese Erkenntnis und der Weg dorthin ist ein Geschenk, welches uns das geduldige Training auf dem Shu-Level beschert. 

 

Das Shu-Level führt jedoch unweigerlich nach der Vertiefung des Verständnisses für die trainierte Technik dazu das nächste Level zu erreichen. 

Das Ha-Level soll jedoch Teil des nächsten Eintrags sein.

 

Ganbatte Buyû (Keep going warrior friends)

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